Elektrische Stromversorgung

Aus dem Gemeinderatsprotokoll vom 8.4.1897 ersehen wir, dass das Anzünden der Straßen-laternen damals vom jeweiligen Nachtwächter je ein Jahr lang abwechslungsweise zu besorgen war. Die Laternen waren mit Öl gefüllt, hingen über der Strassenmitte und konnten mit Hilfe von Seilen herabgelassen werden. Eine ziemlich aufwendige Arbeit, wenn man sie mit den heutigen Verhältnissen vergleicht.

Hermann Schmid beschreibt dies in seinen Lebenserinnerungen so: "Alle 100 m stand ein Holzmasten, 8 m lang, 0,20 m stark, daran hing eine Laterne. Sie war ca. 35 x 50 cm gross, ringsum ein Eisenrahmen mit Glas, innen ein Behälter mit Erdöl. Die Lampe wurde mit einer Kurbel über ein Zahnrad und Drahtseil heruntergelassen, angezündet und wieder hinaufgezogen."

Das 20.Jahrhundert brachte die Elektrizität. Die Gemeinde Gechingen konnte sich 1906 noch nicht entschliessen, dem "Gemeindeverband zum Zwecke der Einrichtung eines Elektrizitätswerks behufs Versorgung der Gemeinden des Bezirks Calw mit elektrischem Licht und Kraft" beizutreten. Die 15 Interessenten, die sich bei der Gemeinde meldeten, mussten noch zwei Jahre warten.

Im Jahr 1908 beschlossen der Gemeinderat und Bürgerausschuss einstimmig, dem obengenannten Gemeindeverband beizutreten. Als Vertreter Gechingens in den Verbandsausschuss wurden Bürgermeister Ladner und Gemeinderat Hubel gewählt. Im Jahr 1911 wurde dann vom Gemeinderat in einer Sitzung am 4.7. folgendes beschlossen:

"1. In betreff der Strassenbeleuchtung wird bestimmt, dass anzubringen sind, je eine Lampe

a) bei der Kronenwirtschaft,

b) beim Gasthaus zum "Adler" (heute neues Rathaus),

c) an der Strasse nach Althengstett bei Ludwig Wuchters Haus (Nr.30),

d) beim Rathaus (altes Rathaus),

e) oben an der Metzgergasse (beim "Lamm"),

f) beim Waschhaus (am Feuerlöschteich),

g) am Bach beim Wohnhaus Fritz Weiss Witwe (Dachteler Str.11),

h) an der Hauptstrasse bei Gehring auf der Mauer (Nr.2),

i) an der Gartenstrasse (Nr.13).

2. Im Schulgebäude sind folgende Lampen einzurichten:

a) im Lokal der Mittelklasse 3 größere Lampen,

b) für die Beleuchtung der Treppe 1 Lampe,

c) im Lokal der Unter- und Oberklasse je 1 größere Lampe über dem Pult,

d) in der Wohnung des Oberlehrers eine größere Lampe im Wohnzimmer und je eine in Schlafzimmer und Küche,

e) im Zimmer des Unterlehrers 1 Lampe,

f) in der Wohnung des Hauptlehrers in der Calwer Strasse 3 Lampen.

Die Einrichtung der elektrischen Beleuchtung geschieht ganz auf Kosten der Gemeinde. Dagegen haben die Lehrer für die Beschaffung der Leuchtkörper selbst aufzukommen und die Bezahlung des Stromverbrauchs zu übernehmen. Im Falle eines Stellenwechsels sind die Lampen in dem Zustand abzutreten, wie solche von den abgehenden Stelleninhabern übernommen worden sind.

3. Eine erforderliche Anzahl von Lampen soll auch im Rathaus eingerichtet werden."

Im Lauf des Jahres 1911 werden auch die Privathäuser mit Leitungen und Strom versorgt. Auf dem Hohen Angel wurde die erste Trafostation gebaut und mit einer Leitung von Althengstett her versorgt, die über die Kirchhalde führte.

Das Futter für 10 Stück Vieh schnitt man für einen Monat mit einem Aufwand von 1 Mark. Die Kilowattstunde einer Lampe wurde mit 2-3 Pfennigen berechnet. Trotzdem war das für damalige Verhältnisse teuer, die Kilowattstunde kostete 1913 45 Pfennige und deshalb war in vielen Häusern nur eine Lampe mit einer schwachen Glühbirne bestückt. Kein Vergleich zu unseren heute gut ausgeleuchteten Räumen!

"Unter Führung des Stadtschultheissen Müller aus Neubulach haben sich im Jahr 1905 die Gemeinden Altbulach, Neubulach, Liebelsberg, Martinsmoos, Oberhaugstett, Stammheim und Zwerenberg zusammengeschlossen, um ein Wasserkraftprojekt an der Nagold planen zu lassen. Diese Wasserkraftanlage sollte zur elektrischen Energieversorgung der Gemeinden dienen. Am 13.Mai 1907 wurde in Neubulach ein Zweckverband gegründet, unter dem Namen "Gemeindeverband Elektrizitätswerk für den Bezirk Calw". Diesem traten 24 Gemeinden und Teilgemeinden des Oberamtsbezirks Calw bei. Dieser neue Verband umfasste schliesslich rund 100 Gemeinden."

Das Elektrizitätswerk an der Station Teinach konnte schon im November 1910 durch Fremdstrombezug in Betrieb gehen und einige Gemeinden mit Strom beliefern. Mit 3 Gasturbinen von 700 PS Leistung wurde dann ab April 1911 eigener Strom erzeugt.

"Die stürmische Entwicklung erlaubte es, im Mai 1913 mit dem ehrgeizigen Projekt einer Wasserkraftanlage zu beginnen. Dazu wurde an der Talmühle ein Wehr errichtet und ein mehr als 2 km langer Wasserstollen bis Station Teinach durch den Berg getrieben. Im Kraftwerk wurden zwei Francis-Zwillingsturbinen mit liegenden Wellen installiert, die mit zwei Drehstromgeneratoren direkt gekoppelt sind. Diese Anlage ging im Januar 1915 in Betrieb. Mit ihr war es möglich, auch in den schweren Zeiten des 1. Weltkrieges und den Jahren danach die Stromlieferungen einigermaßen aufrecht zu erhalten."

Trotzdem musste im 1. Weltkrieg in Gechingen ein Trafo abmontiert werden, um anderswo eine Lücke in der Stromversorgung zu schliessen. Der Gemeinderat beantragte deshalb am 12. November 1920 beim E-Werk Teinach die Verstärkung und den Wiedereinbau des Trafos, da der Verbrauch an elektrischem Strom stark zugenommen habe.

Im Jahr 1939 wurden die Gemeindeverbände enteignet und das E-Werk Teinach in die Energieversorgung Schwaben (EVS) überführt, ohne die Gemeinden zu befragen. 1949 schlossen sich die Gemeinden zu einem neuen Gemeindeverband zusammen.

1958 wurde wie im ganzen Land auch in Gechingen die Stromversorgung von 220 Volt auf 380 Volt umgestellt. Die seitherigen Giebelanschlüsse wurden aus Sicherheitsgründen abmontiert und dafür Dachständer angebracht. Dazu wurden neue Leitungen verlegt, ausserdem die alte Trafostation am Angel ausser Betrieb gesetzt und abgebrochen. Eine neue Trafostation entstand wenige Meter daneben und wurde 1959 in Betrieb genommen. Gleichzeitig erweiterte und erneuerte man die Strassenbeleuchtung.

Im Verlauf des weiteren Ausbaus, hervorgerufen durch die rege Bautätigkeit in den 60-, 70- und 80er-Jahren wurden die Neubaugebiete mit Erdkabeln ausgestattet. Der Bau von weiteren Trafostationen und die elektrische Versorgung unseres Ortes durch eine sogenannte "Ringleitung" waren notwendig. Dadurch ist die Stromversorgung auch bei Störungen besser gewährleistet.

"Wie kaum eine andere Sache hat die Elektrizität inzwischen in unserem täglichen Leben Einzug gehalten. Sie ist heute nicht mehr nur Lieferant von Licht und Kraft, auch alle nachrichtentechnischen Medien vom Telefon über Rundfunk und Fernsehen bis hin zu der elektronischen Datenverarbeitung sind ohne zuverlässige Stromversorgung nicht denkbar und nicht möglich."

(Auszug aus dem Jahrbuch für den Kreis Calw 1985)

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